Kyabje Dudjom Rinpoche, drückte die Dzogchen-Sicht so aus:

zum Seminar mit Keith Dowman: Dzogchen und Tantra im Alltag vom 24. -29. April 2009 im Bodhicharya Berlin: LINK

„Das erste ist Dzogchen-Sicht, die sieht, was wirklich ist – die Natur des Geistes selbst. Dies ist der natürliche Seinszustand, wo der Geist keine Unterscheidungen trifft und Urteile
abgibt.

Dieser Gewahrseinszustand wird Rigpa genannt. Rigpa ist nacktes Gewahrsein  des holistischen Hier und Jetzt. Wir können dieses Bewusst-Sein nicht wirklich ausdrücken, und
es gibt nichts, womit es verglichen werden könnte, um es zu beschreiben. Es ist sicherlich nicht der gewöhnliche Zustand emotionaler Verwirrung und widerstreitender Gedanken
noch ist es nirvanisches Aufhören. Dieser Zustand kann weder produziert noch entwickelt werden, andererseits kann er auch nicht beendet oder angehalten werden.

Wir können nie frei von ihm sein, noch können wir in ihm in Irrtum verfallen. In jenem Augenblick ist es unmöglich zu sagen, dass wir tatsächlich existieren, aber wir können auch nicht sagen, dass wir nicht existieren. Diese Erfahrung ist weder eine von Unendlichkeit noch eine von irgend etwas Spezifischem.

Um es kurz zu machen: Weil die Natur des Geistes, die Große Vollkommenheit, Rigpa, nicht als irgendeine spezifische Sache, Aktivität oder Zustand festgestellt werden kann,
hat sie das ursprüngliche Gesicht der Leerheit, was es uranfänglich rein macht, alles umfassend und alles durchdringend.

Weil der ungehinderte Glanz der Leerheit und die gesamte Skala möglicher Erfahrungen, ob verwirrt oder transzendent, wie die Sonne und ihre Strahlen sind, wird Leerheit
eindeutig erfahren als alles und jedes, und hat die grundlegende Natur des nichtdualen Gewahrseins der reinen Qualität der sich spontan manifestierenden Gesamtheit aller
Erscheinungen.

Aus diesem Grund wird das Erkennen der Gegenwart dessen, was ist – als ursprünglicher, natürlicher Zustand des Seins, das Wahre Selbst der Drei Buddha-Körper, grundlegendes Gewahrsein der Vereinigung von Lichtheit und Leerheit – als Sicht der unfassbaren Großen Vollkommenheit bezeichnet.“

von Keith Dowmans Webseite: www.keithdowman.net

Übersetzt von Sylvester Lohninger, Gutenstein für den Kurs mit Keith Dowman in Gutenstein. Überarbeitet für den Flyer von Olaf Brockmann.

Dudjom Rinpoche: Dzogchen

Dzogchen wird gewöhnlich anhand von den Begriffen Verstehen, Meditation und Verhalten erörtert. Der mystische Jargon ist hochgradig abstrakt und schwer verständlich. Dudjom Rinpoche, einer der großen Meister des letzten Jahrhunderts formulierte sein Verständnis von Dzogchen so:

„Zuerst stellt sich das Verständnis von Dzogchen ein, welches die Dinge so sieht wie sie wirklich sind — dies ist die Natur des Geistes. Dies ist der natürliche Zustand des Geistes der nicht unterscheidet oder bewertet. Dieser Bewusstseinszustand wird rigpa genannt. Rigpa ist das nackte, umfassende Gewahrsein des Gegenwärtigseins, des Ruhen im Hier und Jetzt. Wir können dieses Gewahrsein  nicht ausdrücken, und es gibt nichts womit wir es vergleichen, oder beschreiben könnten. Es ist ganz sicher nicht der gewöhnliche Zustand emotionaler Verwirrung und widersprüchlicher Gedanken, doch ist es auch nicht das Erlöschen des Nirvana. Dieser Zustand kann nicht geschaffen oder entwickelt werden, und kann andererseits auch nicht beendet oder ausgelöscht werden. Ebenso wenig wie wir uns jemals von diesem Zustand befreien oder trennen können, können wir uns darin verirren. Es ist unmöglich zu sagen, dass wir tatsächlich existieren in diesem besagten Moment, wir können aber auch nicht sagen, daß wir es nicht tun. Dieses Erlebnis ist weder eines der Unendlichkeit, noch das Erlebnis von etwas Bestimmtem.“

„Kurzgefasst kann man also sagen, da die Natur des Geistes, die Große Vollkommenheit, rigpa, nicht als eine spezifische Sache, Zustand oder Handlung gesehen werden kann, hat es das ursprüngliche Gesicht der Leerheit, welches es von Anbeginn rein, allumfassend und alles durchdringend macht. Da der ungehinderte Glanz der Leerheit und das gesamt Spektrum von Erfahrungen — seien diese verwirrt oder transzendent, der Sonne und ihren Strahlen gleichen, wird Leerheit positiv erfahren als alles, was auch immer es sei. Der Leerheit innewohnend ist das nicht-duale Gewahrsein des spontan entstehenden, reinen Universums. Aus diesem Grund wird das Erkennen dessen was gegenwärtig ist als dem ursprünglichen Zustand des Seins, dem wirklichen Selbst der drei Buddhakörper, das innewohnende Gewahrsein der Einheit von Licht und Leerheit, die Vision der großen, unvorstellbaren Vollkommenheit genannt.“